Mit dem Mönch Lobsang Phuntsok

Das universelle Heilmittel

Auf „Liebe und Mitgefühl“ basiert die Gemeinschaft Jhamtse Gatsal. Ihr Gründer, der tibetanische Mönch Lobsang Phuntsok, hat uns in Corvara besucht.

Im äußersten Nordosten Indiens, dort, wo das Land im Himalaya an Bhutan und China grenzt, gibt es einen ganz besonderen, magischen Ort: Jhamtse Gatsal, auf Tibetanisch so viel wie „Garten der Liebe und des Mitgefühls“. Dieser Ort ist eine Gemeinschaft für tibetanische Waisenkinder und wurde im Jahr 2006 vom Mönch und Lehrer Lobsang Phuntsok gegründet. Es ist ein Ort, den wir als Costa Family Foundation seit langem fördern und unterstützen. Nach vierjähriger Pause ist Lobsang nun endlich wieder bei uns in Corvara gewesen. In der kurzen Zeit, die er bei uns verbracht hat, hat er uns seine persönliche Geschichte und die der von ihm gegründeten Gemeinschaft erzählt.

In dieser Gemeinschaft wird den Kindern in der Erziehung ein Lebensmodell vermittelt, das darauf basiert, dass in allen alltäglichen Handlungen Liebe und Mitgefühl entwickelt werden. Jhamtse Gatsal ist wie ein System, in dem sämtliche Elemente – Erziehung, Meditation, Kultur, Gemeinschaftsleben – miteinander verbunden sind und wo das Einzelne nur in Verbindung mit dem existieren kann, was neben ihm steht oder wächst. Ganz wie in einem Garten. Daher der Name. Dieses Bild eines Gartens strahlt eine ganz starke Botschaft aus, eine Zukunftshoffnung: Denn in jedem noch so winzigem Samen steckt die Möglichkeit, sich zu einem großartigen, reiche Ernte schenkenden Baum zu entwickeln. Lobsang ist in diesem Garten der Gärtner, der unermüdlich und voller Liebe und Mitgefühl die kleinen Samen hegt und pflegt. Von Anfang an sieht er ihnen bereits die Bäume und die Früchte, die üppig an ihnen heranwachsen können. Er sieht sie vor sich, wie sie sich entwickeln und wie sie gedeihen, wie sie sich gegenseitig stützen und sich immer wieder erneuern, auch für die kommenden Generationen. Eine Arbeit, die man sich wie einen kontinuierlichen Nährprozess vorstellen muss, bei der die Erwachsenen die Kinder darin unterstützen, einen starken, sicheren, fest verwurzelten inneren Kern zu entwickeln, der sich dann in ihrem täglichen Handeln ausdrückt. Was bei seinem Beginn im Jahr 2006 noch als „mutiges Sozialexperiment“ betrachtet wurde, entwickelt sich nun immer mehr zu einer Modell-Gemeinschaft und einer Modell-Erziehung, die das Erziehungswesen in ganz Indien und in der Welt befruchtet und verändert. Selbst in Japan und den USA beschäftigen sich Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen mit Lobsangs Unterrichtsmodell, um die tieferen Gründe für dessen großen Erfolg zu begreifen.

Der Mönch Lobsang hat uns bei seinem Besuch viele Geschichten von prächtig entwickelten Samenkörnern erzählt. Samenkörner, die anderswo als chancenlos aussortiert worden wären. Darunter die Geschichte von drei kleinen tibetanischen Waisenkindern, die zwischen 2009 und 2011 in der Gemeinschaft ankamen. So klein sie waren, so viel Schlimmes hatten sie bereits erfahren – große Armut, eine Kindheit im Zeichen von Verzweiflung und Vernachlässigung. Aus diesen Samenkörnern, die scheinbar irreparable Schäden davongetragen hatten, sind heute zwei erwachsene Frauen und ein Mann geworden, die durch die Hege und Pflege eines liebevollen Gärtners die Kraft gefunden haben, ihr ganzes Potenzial zum Blühen zu bringen. Sieht man sich die Fotos dieser drei als Kinder und als Erwachsene an, möchte man kaum glauben, dass es sich um dieselben Menschen handelt. Doch ihr Leben hat sich radikal geändert. Die Mädchen sind Lehrerinnen geworden, der Junge Ingenieur – die Liebe und das Mitgefühl, das sie erfahren haben, können sie nun an unzählige weitere Menschen weitergeben. „Ihr glaubt, das Leben eines einzigen Kindes zu retten. Doch in Wirklichkeit verändert ihr nicht nur ein einziges Leben zum Positiven, sondern die Zukunft einer ganzen Generation“. Mit diesen Worten dankte Lobsang unserer Costa Family Foundation für die Unterstützung, die wir seinem Projekt durch die Adoption der kleinen Lham haben zukommen lassen. Lobsangs Besuch hat auf uns auch deshalb einen so tiefen, außergewöhnlichen Eindruck gemacht, weil er uns daran erinnert hat, dass das universale Heilmittel auf einer äußerst einfachen Rezeptur basiert: Liebe und Mitgefühl sind die einzigen Ingredienzen, die es braucht, um wirklich grundlegende Veränderung herbeizuführen. All denen, die jetzt skeptisch den Kopf schütteln, weil sie an die Wirksamkeit der Rezeptur nicht glauben mögen, gibt Lobsang mit seiner tiefgründigen Heiterkeit einen eindeutigen Ratschlag mit auf den Weg: einfach die Dosis erhöhen!