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Am liebsten würde ich immer nur von schönen Dingen sprechen. Doch das geht leider nicht, denn es liegt mir am Herzen, meine Leser und Leserinnen – die für mich nicht „Touristen“ oder „Kundinnen“ sind, sondern Gäste – über bestimmte Dinge zu informieren. Weil ich es wichtig finde, dass unsere Gäste darüber Bescheid wissen, was in unserer Region geschieht.
Unsere Dolomiten steht ein neues Gr0ßprojekt bevor, vom dem schon viel gesprochen wird: Es geht darum, das Val Zoldana und Alleghe mit Cortina durch neue Bergbahnen zu verbinden, die über die Pässe Giau und Falzarego führen sollen. Finanziert werden soll das Projekt mit öffentlichen Geldern.
Ich frage mich ja schon, wieso der Mensch immer dann so eine blühende Fantasie entwickelt, wenn es um die Wirtschaft und ums Geldverdienen geht. Während ihm immer dann keine sinnvollen Lösungen einfallen wollen, wenn es sich um Klimakrise und Migration handelt.
Das neue Seilbahnprojekt für die Dolomiten ist absolut absurd, und mir läuft es kalt den Rücken herunter, wenn ich mir vorstelle, wie am Col di Lana – genauer gesagt, in der Nähe der Sella del Sief – demnächst Liftanlagen vorbeiführen sollen. Die Natur dort ist traumhaft schön, fast schon ein Stück Wilderness, und selbst im Sommer sind nur wenige Menschen unterwegs. Außerdem hat hier der Erste Weltkrieg mit seiner dramatischen Geschichte viele Spuren hinterlassen.
Um die Wahrheit zu sagen, ist das Verbindungsprojekt nicht ganz neu. Diese Pläne wurden in der Vergangenheit jedoch stets ad acta gelegt, weil sie Schutzzonen berührt hätten. Doch der Schnee-Plan der Region Veneto ist zum Jahresende 2023 ausgelaufen, und der neue Plan sieht zahlreiche neue Pisten und Liftanlagen vor. Denn wie heißt es doch so schön? „Wer stehenbleibt, hat schon verloren.“
Klar, der Alpintourismus kann einen Haufen Geld in die Kassen spülen, und natürlich ist es auch eine ganz prima Idee, Millionen Steuergelder in den Bau von Bergbahnen zu stecken, deren Gewinn dann von Privaten einkassiert ist. Super!
Doch Spaß beiseite: Hätte die Gemeinschaft in dieser Region nicht viel mehr davon, wenn mal ordentlich Geld in eine vernünftige Hotellerie gesteckt würde? Denn von Cortina mal abgesehen, gibt es im Cadore-Tal nicht gerade viele Unterkünfte. Oder wie wär’s, wenn die Region Veneto die Modernisierung der bereits existierenden Anlagen finanzieren würde, statt völlig neue aus dem Boden zu stampfen? Wir würden uns damit einiges Bauchweh in der Zukunft ersparen.
Die Olympischen Winterspiele 2026 in Milano-Cortina rücken immer näher, und wie wir an dieser Stelle schon öfter betont haben, bringen sie eine ganze Reihe größerer und kleinerer Monstrositäten mit sich, für die sich die Verantwortlichen schämen sollten.
Es werden sich deshalb auch für die stimmenfängerischen Seilbahnpläne der Regionalverwaltung Gelder finden. Die Provinz Belluno mit ihren Bergregionen, die ohnehin schon mit Umweltproblemen kämpfen – denken wir nur an den Borkenkäfer und die Zerstörung der Wälder durch den Orkan Vaia – ist ja auch das Aschenbrödel unter allen Provinzen des Veneto.
Der Versuch, dieses Bergbahnprojekt als „Umweltprojekt“ zu verkaufen, ist allerdings wirklich grotesk. Es wird so getan, als würde dadurch ein enormer Beitrag zur Mobilität geleistet, während es in Wirklichkeit sehr viel dringendere, aktuellere und wirksamere Maßnahmen zu realisieren gäbe, wie zum Beispiel die Reaktivierung der stillgelegten Eisenbahnstrecken oder Umgehungsstraßen für viele Ortschaften.
Über den „Umweltschutz“ der Region Venetien könnte man lachen, wenn es nicht zum Heulen wäre. Denn abgesehen vom Schaden, den die Natur an diesem Projekt nimmt, werden sich auch die Liebhaber und Liebhaberinnen der „echten“ Berge eines großen Schatzes beraubt sehen, nämlich dieser bislang völlig intakten Gebirgsregionen. Aber so denken natürlich nur dumme Romantiker …
Und wo wir schon einmal beim Thema sind: Wäre es nicht an der Zeit, dass man sich einmal Gedanken darum machte, wie die Dolomiten in ihrer Gesamtheit zu verteidigen wären? Oder mal darüber diskutierte, wie völlig dekadent der UNESCO-Welterbe-Status gehandhabt wird?
Vor ein paar Wochen wurde auf die Dolomiten-Felswände der Cinque Torre der Umriss eines Hais projiziert. Diese Aktion lässt tief blicken, denn sie macht völlig klar, in welche Richtung da eine von Natur und Umwelt völlig losgelöste Tourismusindustrie losgaloppiert ist. In anderen Worten: Der konsumierende Tourist wird zur Lieblingsbeute des Raufisches Hai. In diese völlig falsche Richtung könnten schnell auch andere Marken abbiegen, was bedeuten würde, dass unsere Dolomitenwände bald aussehen wie der Piccadilly Circus.
Liebe Gäste, bitte tun Sie das Ihre dazu – kaufen Sie keine Klamotten mit Hai-Logo! Sie wissen schon, welche ich meine …
Zum Abschluss noch ein paar Gedanken, die mir beim Blättern in der Zeitung gekommen sind. Da sind mir nämlich verschiedene Werbekampagnen von Urlaubsregionen in unserer Nähe aufgefallen – dem Veneto und dem Friaul-Julisch-Venetien.
In der Veneto-Kampagne heißt es: „Prosecco DOC, italian genio”. Gefolgt von der Kampagne des Friaul, in der es sinngemäß übersetzt heißt: „Prosecco DOC, ein Land so einzigartig wie ein Traum”. Im Anzeigentext ist dann auch prompt vom Dreamland die Rede, währen die Anzeige auf der Folgeseite folgenden schönen Claim bereithält: „Ich bin Friaul-Venetisch-Julien.“
Ich bin entsetzt, wie barbarisch hier mit Sprache und mit Sprachen umgegangen wird. Italian genio! Entweder man schreibt’s auf Italienisch – das wäre genio italiano – oder man schreibt’s auf Englisch, nämlich italian genius. Und dann dreamland! Affig ist das und irgendwie obszön. Was hat denn bitte die englische Sprache mit der fabula zu tun?
Und was haben die verschneiten Dolomiten mit dem Prosecco zu tun? Die Kampagne der Region Veneto hat ein Foto der Dolomiten verwendet, hat sich also des Images der Dolomiten bedient, um Werbung für ihren Prosecco zu machen. Zudem verwendet sie eine hybride, chemische und ignorante Sprache. Ignorant, weil sie sowohl das korrekte Italienische als auch das korrekte Englische ignoriert. Und dann das Pronomen „Ich“. Ich bin Friaul-Venetisch-Julien. Wer ist ich, wer spricht hier, bitte? Wenn schon, wäre doch ein wir angemessener gewesen. Das alles würde ich gerne mal Anna Maria Testa fragen oder Pasquale Barbella oder Emanuele Pirella, drei wirklich exzellente Copywriter. Ich glaube, sie würden mir antworten: Kommunikation ist eine Sache, Propaganda durch die Instrumentalisierung von allem Möglichen eine andere.
Ich schließe für heute mit ein wenig Poesie.
„Oh lieber Pan und all ’ihr anderen Götter hier! Verleihet mir, schön zu werden im Inneren, was ich aber von außen her habe, dass es dem Inneren befreundet sei!“
So sprach Sokrates zu Phaidros. Und genau in diesem Sinne wünschen wir uns eine harmonische Metamorphose in Richtung absoluter Schönheit. Eine konkrete Utopie! Schließlich streben wir doch alle die Heiligkeit an, nicht wahr?
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