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Von Vampiren und Klimaleugnern

Mir und meinen Kollegen und Kolleginnen will ich ganz klar sagen: Wir müssen die Gangart wechseln. Ich kann sie schon hören, die üblichen Klagen der Zeitgenossen, denen dazu immer nur eines einfällt: Der ökologische Wandel wird Milliarden kosten, und wer soll das bezahlen? Stimmt, es wird Milliarden kosten, und diese Milliarden brauchen wir schnell. Aber wenn wir dieses Geld für den ökologischen Wandel jetzt nicht ausgeben, wird uns der Nicht-Wandel noch sehr, sehr viel mehr Geld kosten!

Es waren einmal die Kommunisten, die Kinder fraßen. Es war einmal ein Graf Dracula, der die unseligen Gäste in seinem Schloss in den Hals biss. Es waren einmal die Klimaleugner, die behaupteten, dass es Wetterextreme und Überschwemmungen immer schon gegeben habe. Und dass sich das Ozonloch ja auch wieder geschlossen habe. Und dass wir ja einfach alle mit Schiffen fahren könnten, wenn die Polarkappen abgeschmolzen seien, und dass wir alle dem Untergang geweiht wären, wenn wir nicht weiter das Wirtschaftswachstum steigerten, und dass überhaupt verloren sein, wer nicht weiter wächst. Dass unsere herrschenden Wirtschaftsmodelle also alle ganz prima funktionierten, unter der Bedingung freilich, dass der Gewinn gesteigert und der Konsum von allem und durch alle immer noch weiter vorangetrieben würde.

Also, ein paar Kommunisten gibt es ja wohl noch hie und da, auch wenn ich nicht glaube, dass sie sich tatsächlich von Menschenfleisch ernähren. Von Graf Dracula sind uns wenigsten die Filme erhalten geblieben, vor allem der unvergessliche „Tanz der Vampire“ von Roman Polanski mit der traumhaft schönen Sharon Tate. Überschwemmungen gibt es leider mehr als genug, und auch die Klimaleugner sind ärgerlicherweise nicht von der Bildfläche verschwunden, anders als das Ozonloch, dass sich dank der in den vergangenen Jahrzehnten unternommenen globalen Anstrengungen rasch reduziert hat und das in nicht mal mehr 20 Jahren wieder zur Ausdehnung von 1980 zurückgefunden haben wird. Apropos Entscheidungen auf internationaler Ebene: Vor wenigen Wochen gab es die gute Nachricht, dass das Europäische Parlament das Renaturierungsgesetz beschlossen hat! Die erste und höchste Hürde auf dem schwierigen Weg dieses Gesetzes ist damit genommen und die Maßnahmen Europas gegen das Artensterben können nun definitiv beginnen. Und das, obwohl unsere Klimaleugner alles getan haben, um das Gesetz zu Fall zu bringen. Die Rede ist natürlich von der EVP, der Europäischen Volkspartei, die heftigen Widerstand geleistet hat. Die Rede ist aber auch von unseren Südtiroler Abgeordneten: Gerade erst vor ein paar Tagen hat die Mehrheit aus SVP und Lega mit einer unhaltbaren Argumentation den Antrag der Grünen abgelehnt, die zur Verbesserung des Klimas eine höhere Anzahl an Bäumen in Wohn- und Gewerbegebieten pflanzen wollten. Dazu kommt unser Europaparlamentsabgeordneter Herbert Dorfmann, leider ein Totalausfall, der zusammen mit seiner Gruppe gegen das Renaturierungsgesetz gestimmt hat. Von jemandem wie Dorfmann in Europa vertreten zu werden, schadet uns sehr. Es bleibt nur die Hoffnung, dass der Südtiroler nicht mehr kandidiert, denn schlimmer als mit ihm kann es kaum noch kommen.

Die Leute, die früher mit Knüppel und Rizinusöl auf die Kommunisten losgegangen sind, haben jetzt die Umweltschützer auf dem Kieker. Und erst recht die falschen Umweltschützer, die Wasser predigen und Wein trinken. Weil ich mich da als Veranstalter der Maratona dles Dolomites auch selbst angesprochen fühle, muss ich zugeben, dass sie teilweise auch Recht haben: Der Tourismus hinterlässt seinen Fußabdruck, und 8.000 Radfahrer und Radfahrerinnen, die über unsere Dolomitenpässe sausen, produzieren bei ihrer Anreise in unsere Täler jede Menge CO2. Auch wir sind hier Streitpartei, das stimmt. Ich will an dieser Stelle nicht auf die Details eingehen, auch wenn die durchaus relevant sind, wie etwa die Tatsache, dass wir mit weniger Gästebetten in Alta Badia auch weniger Touristen hätten. Oder dass wir im Winter zwar keine Erdbeeren servieren, Bananen aber sehr wohl. Oder dass, wenn wir Antworten auf sämtliche Fragen gehabt hätten, die Fragen falsch gestellt gewesen wären.

Aber mir und meinen Kollegen und Kolleginnen will ich ganz klar sagen: Wir müssen die Gangart wechseln. Ich kann sie schon hören, die üblichen Klagen der Zeitgenossen, denen dazu immer nur eines einfällt: Der ökologische Wandel wird Milliarden kosten, und wer soll das bezahlen? Stimmt, es wird Milliarden kosten, und diese Milliarden brauchen wir schnell. Aber wenn wir dieses Geld für den ökologischen Wandel jetzt nicht ausgeben, wird uns der Nicht-Wandel noch sehr, sehr viel mehr Geld kosten! Doch das interessiert Leute wie Donald Trump oder den homo oeconomicus ganz allgemein nicht. Denn diese Menschen sind nur am Business interessiert und haben für die Bedürfnisse der Allgemeinheit wenig übrig. Wir bringen die Dinge in Ordnung, sagen die, die an den Heiligen Graal der Marktwirtschaft glauben und die sich Mussolini nahe fühlen und seinem Slogan „Wir bringen die Dinge in Ordnung.“ Ich zitiere den Diktator hier übrigens nicht zufällig, denn wir sind verloren, wenn wir vergessen, was einmal gewesen ist. Und wir sind verloren, wenn wir nicht endlich begreifen, dass wir die die Menschheit, also uns selbst, ohne Opfer ganz gewiss nicht retten werden.

Es wird eine wunderschöne Herausforderung sein, wie der Papst es genannt hat. Unsere Pflicht ist es, ganz klar die finanziellen Möglichkeiten zu eruieren, damit sichergestellt ist, dass auf diesem Weg niemand zurückbleibt. Damit wir die Menschen aufnehmen können, die vor Krieg und den Folgen des Klimawandelns fliehen müssen. Uns muss endlich klar werden, dass es auch andere Wirtschaftsmodelle gibt als die, die wir bisher zu kennen glaubten. Joseph Stieglitz, Edgar Morin, Rifkin, Muhammad Yunus und der Club of Rome sprechen schon seit Jahren darüber. Es ist die Zeit gekommen, an die Schwächsten zu denken, denn wenn wir das nicht tun, werden wir verlieren und selbst zu Verlorenen werden. Es ist der Moment gekommen, die Dolomitenpässe zu schließen, es ist der Moment für die Carbon Tax und für eine für uns alle obligatorische Berechnung des ökologischen Fußabdrucks. Wer ins toskanische Val d’Orcia oder in die Dolomiten reist, sollte außerdem sieben Jahre im Voraus buchen, damit er all das Wunderbare, das ihm dort geboten wird, auch wirklich zu schätzen weiß. Denn was nicht zu leicht zu haben ist, gewinnt an Attraktivität. Auf Touristen, die in nur wenigen Stunden durch unsere Orte außergewöhnlicher Schönheit hetzen, können wir gut verzichten. Und wenn die Südtiroler Dolomiten in Sachen Besucherzahlen an ihr Limit gestoßen sein werden, gibt es ja immer noch die wesentliche weniger vollen, ebenfalls wunderschönen und gastfreundlichen Dolomiten von Belluno.

Heute Umweltschützer zu sein, hat das nicht damit zu tun, ob man politisch links oder rechts steht. Es bedeutet einfach nur, unsere gemarterte, schöne Welt mit aufrichtigeren, wacheren, sensibleren Augen zu sehen. Wir sind die erste Generation, die sich der Gefahren bewusst geworden ist – und wir sind die letzte Generation, die noch etwas tun kann. Wir können das mit positivem Spirit tun, wir können versuchen, unserem Planeten etwas weniger Schmerzen zuzufügen, wir können und müssen aus Überzeugung daran glauben. Noch ist unsere Welt traumhaft schön. Erst vor kurzem war ich Breuil-Cervinia im Aostatal, wo mir mein Guide Marco Barmasse (sein Sohn Hervé ist vor ein paar Wochen übrigens mit dem Fahrrad von Cervinia nach Corvara gefahren, um dort an der Maratona teilzunehmen) hat mir Augen und Herz geöffnet. Und wenn Gastfreundschaft dann gelebt wird wie im Hotel Bergman in Cervinia, dann wird klar: Es bringt immer noch große Freude, schöne Dinge zu tun.

Schöne Dinge haben wir auch im vierten Stock unseres Hotels La Perla getan. Die früher kleinen, unbequemen Zimmer haben jetzt große Terrassen mit Blick auf den Sassongher. Dort, auf dem Gipfel dieses monolithischen Bergs vor unserer Haustür, wetzt übrigens alle 100 Jahre ein Vogel seinen Schnabel. Wenn der Sassongher eines Tages als Folge dieses Wetzens komplett abgetragen sein wird, hat die Ewigkeit noch nicht einmal angefangen. So hat mir mein Volksschullehrer Lezuo vor vielen Jahren den Begriff der Ewigkeit erklärt. Und darum erfreue ich mich immer noch jeden Tag an der Erhabenheit des Sassonghers.

Es ist ein hinreißend schöner Anblick. Und schön ist auch unsere Welt. Auch wenn dem Tourismus ruhig mal jemand in die Hals beißen können. Liebe Gäste, liebe Mitarbeitende, liebe Lieferanten – wir hier wollen auch in Zukunft eine Gastfreundschaft leben und anbieten, die über schlichten Tourismus hinausgeht. Wir freuen uns auf Sie und werden Sie mit offenen Armen und offenem Herzen begrüßen. Versprochen!

Michil Costa